Zur Jahreslosung 2025
Die biblische Losung für das neue Jahr ist sehr praktisch und "lebensnah" - und wohl besonders nötig in unserer heutigen Zeit, wo es so viel zu prüfen gibt. Machen wir Sie - im Grossen wie im Kleinen - zu unserer persönlichen Lebens-Maxime!
Matthias Maywald,
Die biblische Losung zum Jahr 2025, die von der Ökumenischen Gemeinschaft für Bibellesen ausgewählt wurde, hat die Künstlerin Elke Bussemeier originell und griffig umgesetzt. In der Gemüseabteilung werden wir kaum unbesehen Tomaten in unseren Einkaufskorb wandern lassen. Vielmehr werden wir jedes Stück vorher genau anschauen, vielleicht sogar befühlen, und nur jene Stücke nehmen, die noch keine weichen Stellen oder gar, was es zuweilen auch gibt, Schimmel haben. Genauso sollten wir es auch bei anderen Dingen tun, oder nicht?
Leider ist dem nicht immer so, und wir schenken Menschen unbeschränktes Vertrauen, die dieses, näher betrachtet, nicht verdienen. Wir machen keinen Abgleich zwischen den – durchaus ehrenwerten – Gefühlen, die wir jemandem entgegenbringen, und den Fakten. Oder wir glauben ungeprüft dem, was jemand von sich behauptet. So haben viele Amerikaner Donald Trump wiedergewählt, weil sie glaubten, dass er - trotz seiner offensichtlichen charakterlichen Defizite -
wenigstens ein erfolgreicher Geschäftsmann und seine erste Amtszeit deshalb wirtschaftlich besonders erfolgreich gewesen sei - die «erfolgreichste aller Zeiten», wie er behauptete. Doch auch diese Behauptungen halten dem Faktencheck nicht stand.
Gleichzeitig will uns die Jahreslosung aber dazu anhalten, wirklich alles zu prüfen, allem eine Chance zu geben, nichts vorzuverurteilen. Nicht nur aus Fairness, sondern auch, weil uns wirklich gute Früchte so entgehen könnten. Denn nicht alle Früchte, die auf den ersten Blick viellleicht nicht makellos aussehen, sind auch schlecht. So ist es auch bei allem anderen. Selbst wenn ein Mensch uns vielleicht auf den ersten Blick «schräg hereinkommt», ist das doch kein Grund, uns gar nicht mit ihm abzugeben. Und auch wenn jemand uns tatsächlich einmal enttäuscht hat, ist das kein Grund, ihm für immer das Vertrauen zu entziehen. Gerade auch in Bezug auf Menschen gilt, dass wir wohlwollend prüfen sollen – und das Gute am anderen erkennen, statt ihn als Ganzen zu verwerfen. So wie wir es ja bei uns selbst auch gerne hätten. Und vielleicht ist es ja auch nur unser eigener schräger Blick, der uns den anderen als derart schräg erscheinen lässt.
Das verlangt natürlich, dass wir nicht zu bequem dazu sind, alles zu prüfen. Auch dann, wenn es uns keinen Nachteil zu bringen scheint, wenn wir achtlos am Guten unserer Mitmenschen vorbeigehen, wenn wir dabei scheinbar «nichts verpassen». Aber ist dem wirklich so? Könnten unserer Vorurteile am Ende nicht wenigstens etwas peinlich für uns selbst werden? Ja, vielleicht stehen wir dabei ja selber auf dem Prüfstand! Ob wir dem Anderen eben nach bestem Wissen und Gewissen gerecht zu werden versuchen, oder ob es uns egal ist, wenn wir jemandem Unrecht tun. Kann uns das wirklich egal sein?
Der Apostel Paulus, von dem der Losungsvers stammt, hat aber noch an etwas anderes gedacht. Und zwar gab es in den frühen christlichen Gemeinden religiöse Phänomene, die wir heute dem «charismatischen» Christentum zuordnen würden. Zum Beispiel, dass Menschen unter Einfluss des Heiligen Geistes in «Zungen» geredet haben, in Lauten, die für Normalsterbliche unverständlich sind; oder dass sie prophetisch Dinge offenbart haben, die eigentlich kein Mensch wissen kann. All das kann entweder wahnsinnig beeindruckend sein oder aber dazu führen, dass man so jemanden sogleich als «Spinner» abtut.
Beides wäre, so der Apostel, falsch. Vielmehr rät er: «Prüft alles und behaltet das Gute!» Weder ist alles, was als Inspiration durch den Heiligen Geist daherkommt, automatisch eine solche, noch ist alles, was unseren normalen Erfahrungshorizont übersteigt, auch gleich Humbug. Weder haben religiöse Sondergruppen per se die Wahrheit gepachtet, noch sind sie allesamt automatisch gefährliche Sekten. Das Kriterium, an dem hier das Gute vom Schlechten unterschieden werden kann, dürfte eben genau das sein: ob sie eine solche Prüfung erlauben oder jede Hinterfragung als Unglaube und Verrat brandmarken.
Dem darf man sich nicht beugen, sondern soll sich die Freiheit nehmen, alles zu prüfen und das Gute, wenn es denn da ist, zu behalten. Das ist christliche Freiheit und Mündigkeit. Und so werden wir bewahrt davor, dem Falschen anzuhängen, genauso wie davor, unser Herz gegen das Gute zu verschliessen. Beides geschieht letztlich zu unserem eigenen Schaden.