Obwohl die ökologische Krise immer spürbarer wird, wird in diesem Sommer so viel geflogen wie schon lange nicht mehr. Warum ist das so? Grund sind vielleicht nicht nur die Kürze und der Komfort der Flugreise oder die günstigen Preise; vielleicht hat es auch mit dem Fliegen als solchem zu tun.
Beim Fliegen lassen wir ja den Alltag mit seinen Sorgen hinter und unter uns, all das, was uns bedrängt und bedrückt, was uns das Leben eng macht. Der deutsche Liedermacher Reinhard Mey hat bekanntlich seinerzeit ein Lied darauf gesungen – wenn es auch aus der Perspektive dessen geschrieben ist, der vom Boden aus der abhebenden Maschine sehnsüchtig nachblickt:
Über den Wolken
muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.
Alle Ängste, alle Sorgen,
sagt man,
blieben darunter verborgen,
und dann
würde, was uns gross und wichtig erscheint,
plötzlich nichtig und klein.
Gut möglich, dass diese Erfahrung von Freiheit, Leichtigkeit, Unbeschwertheit auch eine gewisse Rolle spielt, warum man gerne in die Ferien fliegt (ausser man habe ausgeprägte Flugangst). Der kleine «Umweg über den Himmel» trägt jedenfalls das Seine dazu bei, den Alltag mit seinen Sorgen und Zwängen leichter abzustreifen und hinter sich zu lassen.
Mich erinnert das an den Glauben. Denn auch der Glaube hebt uns über alles hinaus, was uns bedrängt und einengt. Im Glauben nehmen wir Zuflucht bei dem, der über allem ist. Zu ihm gehören wir. Was brauchen wir dann noch zu fürchten, was braucht uns noch zu kümmern? Jesus sagt: «In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes: Ich habe die Welt überwunden.» (Johannes 16,33) Daran bekommen wir im Glauben an ihn teil.
Von dort, von Gott aus, wird alles fern und klein, was uns gerade noch so bedrohlich vorkam – wie ein Kind es erfährt, das von seinem Vater oder seiner Mutter auf den Arm genommen wird. Oder wie wir es eben im Flugzeug erfahren, wo wir von den Bergen, die sich eben noch vor uns aufgetürmt haben, nur noch die weissen Spitzen sehen, tief unter uns.
Nur dass das Erlebnis des Glaubens intensiver und «nachhaltiger» ist: Wir können es jeden Tag haben, auch ohne in ein Flugzeug steigen zu müssen. Deshalb bleibt dieses Erlebnis auch keinem Menschen verwehrt. Jeder Mensch kann jeden Tag zu Gott kommen und so Distanz bekommen zu allem, was ihm zusetzt. Und wir können dort bleiben – sogar über unser Lebensende hinaus.
Vielleicht geben uns die «richtigen» Ferientage aber die nötige Musse, um das neu zu entdecken, was eigentlich immer da wäre und was wir auch im Alltag finden könnten: die Freiheit und Fülle in der Beziehung mit Gott – die Erfüllung aller Sehnsucht. «Gott nahe zu sein ist mein Glück.» (Psalm 73, 28)
23. Juli 2023, Pfr. Matthias Maywald
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