Matthias Maywald

Aktuelle Gedanken: Das leere Grab

Wolken (Foto: Kirchenweb Bilder)

Ohne Zweifel ist es das Fundament des christlichen Glaubens, dass Jesus von den Toten auferweckt worden ist. Doch was ist darunter zu verstehen?
Matthias Maywald,
Gläubige wie Skeptiker sind sich darin einig, dass Jesus nur dann «wirklich» auferstanden sei, wenn er «körperlich» auferstanden ist und sein Grab am Ostermorgen buchstäblich leer war.

Auch wenn ich persönlich das durchaus glauben kann, möchte ich die Alternative «entweder körperlich auferstanden oder gar nicht» doch hinterfragen. Was sagt die Bibel wirklich dazu?

Das älteste schriftliche Zeugnis zur Auferstehung finden wir im 1. Korintherbrief des Apostels Paulus. Paulus zitiert darin eine Überlieferung, die sicher in die ersten Jahre nach dem Tod von Jesus zurückreicht. Darin heisst es, dass Jesus «am dritten Tag auferstanden» und dass er zuerst von den zwölf Aposteln und danach von fünfhundert weiteren Jüngern auf einmal gesehen worden sei (1. Kor 15,3-7). Dass man sein Grab leer gefunden hätte, wird in dieser Überlieferung nicht erwähnt – was natürlich nicht heisst, dass das nicht vorausgesetzt ist, wenn von «Auferstehung» die Rede ist.

Allerdings stellt sich die Frage, was «gesehen» heisst. Heisst das, dass Jesus auch von jedem anderen Menschen gesehen worden wäre, der zufällig am selben Ort war, wie es bei historisch-empirischen Ereignissen der Fall ist? Also auch ohne Glauben und Beziehung zu ihm? Oder ist nicht eher gemeint, dass er sich nur bestimmen Menschen gezeigt, sich ihnen eben «offenbart» hat? Jedenfalls ist damit, dass Jesus «gesehen» worden ist, doch nicht gesagt, dass er körperlich anwesend war. Es gibt gewiss auch andere Arten des Erscheinens, die deswegen keineswegs nur Einbildungen oder Halluzinationen zu sein brauchen.

Im selben Kapitel spricht Paulus auch davon, dass der Leib, der auferweckt wird, ein «geistlicher» Leib sei – kein «natürlicher» Leib mehr (1. Kor 15,44). Dass jedenfalls der Leib, in dem Jesus auferweckt wurde, kaum noch ein materieller Körper war, geht sogar aus den «Ostergeschichten» der Evangelien hervor, auf die sich der Glaube an das leere Grab ja beruft. So kann Jesus im Johannesevangelium durch verschlossene Türen zu den Jüngern kommen (Joh 20,19-20). Und in der bekannten Geschichte von den beiden Jüngern aus Emmaus, die das Lukasevangelium erzählt, verschwindet Jesus in dem Augenblick, wo die Jünger ihn endlich erkennen, vor ihren Augen – er löst sich sozusagen in Luft auf (Lk 24,13-32). Wie ist das zu vereinbaren mit einer «körperlichen» Auferstehung?

So auch mit dem Stein vor dem Eingang des Grabes. Zumindest nach dem Matthäusevangelium hatte Jesus es nicht nötig, dass man diesen entfernte, damit er das Grab verlassen konnte. Dort wälzt nämlich der Engel vor den Augen der Frauen, die frühmorgens zum Grab gekommen sind, den Stein vom Eingang weg – und verkündigt ihnen, dass Jesus nicht da sei, dass er auferstanden sei. Sie sollten nachschauen, wo man ihn hingelegt hatte (Mt 28,1-6).

Gerade das – nachschauen – tun die Frauen dann aber nicht, sondern sie machen kehrt und laufen vom Grab weg. So auch in der Version des Markusevangeliums (Mk 16,1-8). Dem ältesten Evangelium zufolge gehen die Frauen immerhin ins Grab hinein, das sie bereits geöffnet vorfinden. Dort sehen sie einen jungen Mann in einem weissen Gewand, der ihnen sagt, dass Jesus auferstanden und «nicht hier» sei; sie sollten an der Stelle nachsehen, wo man ihn hingelegt hatte. Dass die Frauen seiner Aufforderung gefolgt und nachgesehen hätten, wird jedoch nicht berichtet; nur dass sie daraufhin aus dem Grab geflohen seien.

Am weitesten geht noch der Evangelist Lukas: er erzählt immerhin, dass die Frauen Jesus nicht im Grab «gefunden» hätten. Allerdings traten erst danach, als die Frauen deswegen «ratlos» waren, zwei Männer in glänzenden Kleidern zu ihnen und fragen sie: «Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden» (Lk 24,1-6).

Damit ist auch klar, dass nicht einmal das «leere Grab» für die Frauen ein Beweis für die Auferstehung war. Im Johannesevangelium weint Maria von Magdala sogar, als sie sieht, dass der Stein vom Grab weggewälzt worden ist; sie schliesst daraus, dass man Jesus weggenommen habe – nicht dass er auferstanden sei. Erst als Jesus selber ihr erscheint, kann sie glauben (Joh 20).

Die Jünger allerdings, denen die Frauen verkündigen, was sie erlebt haben, glauben ihnen zunächst nicht – sie reagieren, wie die meisten Menschen bis heute reagieren, wenn man von der Auferstehung von Jesus spricht. Die Jünger glauben erst, als Jesus auch ihnen begegnet und direkt zu ihnen spricht. Als er das aber tut, haben sie es nicht einmal mehr nötig, ihn zu berühren, um an seine Wirklichkeit zu glauben – so der anfänglich zweifelnde Jünger Thomas (Joh 20, 24-28).

Das Wort der Engel über Jesus und erst recht sein eigenes Wort überstrahlen alles. Sie schaffen Glauben – unabhängig davon, wie sich die Dinge ausserhalb dieses Wortes und Geistes darstellen mögen. Sie lassen uns einer anderen Wirklichkeit begegnen, die nicht schwächer, sondern stärker und "überzeugender" ist als unsere sichtbare und greifbare Wirklichkeit: der Wirklichkeit Gottes.

Dies meine – vorläufigen – Gedanken dazu. Ich wünsche Ihnen (und mir!) erhellende Ostertage.

Pfr. Matthias Maywald
1. April 2023

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Bereitgestellt: 01.04.2023      
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